Fast jede Spirituose wird von einem gewissen Mythos umgeben. Aber nur bei wenigen Destillaten verwischen Wahrheit und Fiktion derart, wie es bei Absinth der Fall ist.
Der aufgrund seiner Farbe auch als „Grüne Fee“ bezeichnete Absinth wurde dabei zum Getränk einer ganzen gesellschaftlichen Klasse und gleichzeitig mit allen Mitteln bekämpft. Gänzlich konnte man die Flügel der grünen Fee aber nie stutzen.

Was der Gin für die englische Arbeiterklasse des 18. Jahrhunderts war, kann grob übertragen werden auf Absinth und die französische Künstler- und Arbeiterklasse des 19. Jahrhunderts. Im Gegensatz zum Wacholderdestillat ist der Ursprungort von Absinth heute jedoch exakt belegt, wobei man lediglich über den tatsächlichen Urheber rätselt.
Weitaus interessanter ist allerdings die Bedeutung, die das Anis-Getränk für bestimmte gesellschaftliche Schichten im ausgehenden 19. Jahrhundert hatte, wie das Trinkritual zelebriert wird und welche Hass-Liebe zu Absinth schließlich dessen vorläufiges Ende besiegelte.
Absinth: Aufstieg und Sturz der grünen Fee
Der französische Begriff Absinthe hat seinen Ursprung in der lateinischen Bezeichnung seiner Hauptzutat Wermut Artemisia absinthium. In der deutschen Begriffsversion von Absinth wird lediglich das „e“ weggelassen.
Die ursprüngliche Rezeptur von mit Wermut versetztem Wein ist um das Jahr 1737 im schweizerischen Val-de-Travers im Kanton Neuenburg belegt. Ein völliges Wirrwarr herrscht dabei jedoch um die Personen, die als „Erfinder“ von Absinth gelten.
Für die folgenden 60 Jahre liegen keine heute bekannten Belege für die professionelle Herstellung von Absinth vor. Erst für das Jahr 1797 gibt es gesicherte Nachweise für den Erwerb einer Absinth-Rezeptur eines Major Dubied vom französischen Arzt Pierre Ordinaire aus der Schweiz.
Zusammen mit seinem Sohn Marcellin und Schwiegersohn Henri Louis Pernod gründete Dubied in der Schweiz eine Absinth-Brennerei. Aufgrund des Exports und der damit einhergenden Verzollung der Abfüllungen verlegte Pernod die Destillerie 1805 ins französische Pontarlier.
Das tägliche Produktionsvolumen soll zu jener Zeit ca. 400 Liter umfasst haben.
Absinth ist eine Spirituose, die auf Wermut, Anis, Fenchel und anderen Kräutern basiert.
Der Erfolg blieb von der Konkurrenz nicht unbemerkt, wodurch sich relativ schnell in der Schweiz und in Frankreich weitere Absinth-Brennereien etablierten.
Für jeden Hersteller schien genug Nachfrage vorhanden, denn bereits 1860 hatte sich Absinth bereits einen Kultstatus erarbeitet, dass Personen, die etwas auf sich hielten, sich zwischen 17 und 19 Uhr zur „grünen Stunde“, der „heure verte“ zum Absinth-Trinken trafen.
Die Trinkrituale um Absinth taten ihr übriges um den Kultstatus zu fördern, wodurch sich diverse Bars und Cafés auch räumlich und technisch auf den Trinkritus einrichteten, indem sie Wasserbehälter mit mehreren Hähnen auf den Tischen platzierten.
Wie bereits Gin verdankt auch Absinth seinen Erfolg bei der Arbeiter- und Künstlerklasse unter anderem seinem relativ günstigen Preis, der selbst nach der Besteuerung immer noch niedriger war als der von Wein. Der Grund für den niedrigen Preis war die Möglichkeit Absinth aus billigem Alkohol jeglichen Rohstoffs zu produzieren.
Die Nachfrage war derart hoch, dass es sich bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts zum Getränk der Arbeiter und der Bohème mauserte, zu der bekannte Persönlichkeiten wie Vincent van Gogh, Paul Gauguins und Pablo Picasso zählten.
Der explosionsartige Erfolg von Absinth führte schließlich aber auch zu dessem jehen Ende. Häufig wird hierfür als Hauptgrund ein Mordfall eines Vaters an seiner Familie im Jahr 1905 in der schweizerischen Gemeinde Commugny angeführt.
Der Weinbergarbeiter Jean Lanfray hatte im Alkoholrausch, der unter anderem von Absinth herrührte, seine schwangere Frau sowie seine 2- und 4 jährigen Töchter getötet. Allerdings war diese Gewalttat und der einhergende medial-begleitete Prozess nur ein Grund für den Untergang Absinths.
Des Weiteren schürte sowohl eine aufkommende Abstinenz-Bewegung sowie Lobby-Arbeit der Wein-Produzenten, die ihre Fälle davon schwimmen sahen, zu einem sukzessiven Verbot von Absinth in mehreren europäischen Staaten und den USA.
Lediglich Spanien und Portugal verwehrten sich dem Verbot. Und auch England stellte den Verkauf nicht unter Strafe. Der Mordfall war schließlich nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Aus dem Wermut-Kraut gelangt das Nervengift Thujon ins Destillat. Heutiger Absinth darf maximal 35 mg/kg Thujon enthalten.
Absinth-Hersteller: Spanien oder Illegalität?
Was sollten nun aber die Absinth-Firmen tun, wenn nicht bankrott gehen?
Die Firma Pernod umging das französischen Verbot, indem sie ihre Produktion vorerst nach Spanien verlegte und sich anschließend auf die Produktion von Anis-Schnäpsen wie Pastis fokussierte.
Während große Firmen wie Pernod umdisponieren konnten, hatte die große Anzahl an Absinth-Destillerien im Ursprungsort Val-de-Travers nur die Möglichkeit Absinth von nun an illegal zu produzieren.
Zwar war dies logischerweise nicht ohne Risiko, heute haben jene Produkte jedoch eine gewisse Tradition und einen Ruf ähnlich dem irischen Poteen oder dem amerikanischen Moonshine.
In den 1990ern entdeckte eine tschechische Firma die Möglichkeit Absinth in England zu vertreiben. Auch wenn jenes Produkt von miserabler Qualität gewesen sein soll, hatte dies jedoch einen Stein ins Rollen gebracht.
Man interessierte sich in Europa wieder vermehrt für die Absinth-Produktion, was schließlich Anfang der 2000er in verschiedenen Staaten zur Legalisierung von Absinth führte. Dies jedoch unter gewissen gesetzlichen Bedingungen, wie z. B. der Festsetzung der maximalen Konzentration des aus dem Wermut-Kraut stammenden Thujons.
2 Absinth, die Sie probiert haben müssen
Mehr und mehr Absinth-Brennereien etablierten sich daraufhin in ganz Europa einschließlich Deutschland. Betrachtet man auch die diversen Online-Shops, die sich ausschließlich auf Absinth beschränken, kann man fast von einer Rennaissance des Wermut-Getränks sprechen.
Die Qualität, die Sie daher heute im Handel finden, ist unvergleichbar mit jener aus der Vergangenheit. Im Folgenden möchte ich Ihnen daher eine Hand voll hochwertiger Abfüllungen zeigen.
Um zu den jeweiligen Tropfen zu gelangen, können Sie einfach den Namen des Absinths anklicken:
- Absinthe La Pontissaliene
- Mead Base Absinth
Es muss sicherlich einen weiteren Grund als die Mordgeschicht die hier aufgeführt wurde um die Herstellung
zu verbieten , Ich kann mir nicht vorstellen, dass Frankreich-England-Amerika sich über den Ausgang des
Prozesses interessiert haben.
Es ist mir klar wenn zuviel Thujons verarbeitet wurde, dass die die zuviel davon tranke ein Hirnschaden bekommen haben.
Wenn Sie mehr wissen würde mich dies interessieren.
Freundlichen Gruss
O.Leu
Was ist eigentlich der Absinth mit dem besten geschmack der nicht komplett nach Alkohol schmeckt?
Hallo Daniel,
den „besten“ zu empfehlen, ist schwierig, da Geschmäcker unterschiedlich und subjektiv sind. Aber wirf doch mal einen Blick auf das Portfolio von lion-spirits.de
Dort findest du meiner Erfahrung nach nur hochwertigen Absinth.
Gruß Philip
Die Mordgeschichte hatte vor allem unmittelbare Auswirkungen in Belgien (sofortiges Verbot) und der Schweiz (Verbot 1910 nach einer Initiative von 1908).
In Frankreich wurde Absinthe kurz nach dem Eintritt in den Ersten Weltkrieg verboten – man sorgte sich möglicherweise um die Kampfbereitschaft der Truppen.
Im UK bezog sich das Verbot nur auf die Produktion, war also eher halbherzig, wobei die Spirituose dort auch nicht den Grad an Beliebtheit erreichte wie in Frankreich/ der Schweiz.
Das US-Amerikanische Verbot trat 1912 in Kraft, gerade einmal fünf Jahre, bevor der Zusatzartikel zur „Prohibition“ durch den Kongress vorgeschlagen wurde – man kann mutmaßen, dass hier schon der Stimmungsmache durch die Abstinenzbewegung erlegen wurde.
Danke werde ich machen.
Grüße
Gibt es irgendwo heutzutage Absinth ohne Thujon-Limitierung zu kaufen? ich haette Lust, damit zu experimentieren.
Hallo Elias,
das hatte Van Gogh auch ;). Nein, in Europa ist der Gehalt limitiert.
Gruß Philip
Die „grüne Fee“ war eine gefährliche Geliebte. Denn in ihr enthalten war (neben 50 bis 70 % Alkohol!) Thujon, ein Nervengift, das halluzinogene Wirkung hat.
Im Algerienkrieg (1864 – 1871) bekamen die französischen Soldaten diesen aus Branntwein plus Wermutkraut, Anis Zitronenmelisse und Fenchel destillierten Kräuterschnaps pflichtgemäß in täglicher Ration. Man erhoffte sich durch die „bekiffende“ Wirkung (da ähnlich der von Cannabis) mehr Mut und Kampfesgeist.
Als die Soldaten nach Kriegsende heimkehrten, blieben sie bei ihrem Drink. So kam’s, dass Absinth-Trinken bald zur allgemeinen Mode wurde. Viele bekannte Persönlichkeiten der Geschichte erlagen dem Wahn dieses Getränks: Toulouse-Lautrec, Gauguin, Rimbaud, auch Picasso, Vincent van Gogh, oder der Dichter Charles Baudelaire, der später als mittelloser Alkoholiker in einem Armenhaus starb.
Der Schnaps verursachte Halluzinationen, Krampfanfälle, Magen-Darm-Probleme, Bewusstseinsstörungen, Nierenversagen (bei massiven Gebrauch).
Van Gogh, am Ende total verarmt, schnitt sich Aufgepeitscht vom Absinth zunächst ein Ohr ab und gab es einer Prostituierten zur Aufbewahrung. Kurz darauf, am 27. Juli (da wir DEN heute gerade haben!) 1890, schoss er auf sich – zwei Tage später starb er, gerade 37 Jahre alt.
Aber schon der römische Schriftsteller Plinius d.Ä. (23 – 79 n. Chr.) beschrieb die Wirkung von Wermut.
Übrigens: Die Firma Pernod verdankt ihren Erfolg dem Absinth.
Zur damaligen Zeit hatte der Absinth noch rund 80 Milligramm Thujongehalt pro Liter Alkohol. Heute, nachdem Absinth von der EU wieder erlaubt ist, darf er lediglich 10 Milligramm Thujon pro Liter Alkohol enthalten.
Thujon ähnelt zwar THC in seiner Struktur, allerdings ist inzwischen widerlegt, dass es die entsprechenden Rezeptoren auslöst. Da die Struktur auch erst 1900 geklärt wurde (isolierte Gewinnung von THC 1964) dürfte es sich auch um eine relativ moderne Erklärung einer vermeintlichen (!) Absinthe-Wirkung handeln.
Offiziell wurde die Absinthe-Ration als Malaria-Prophylaxe und zur Wasserreinigung gereicht – Inzwischen ist nachgewiesen, dass manche Artemisia-Arten gegen Malaria helfen.
Ein Großteil der unterstellten Wirkung von Thujon ist nach nachgewiesen und eher auf den hohen Konsum von (gepanschtem) Alkohol zurückzuführen. Außerdem gab es seinerzeit durch Prohibitionsbewegungen und Weinbau-Lobbys eine rege Stimmungsmache gegen den „Volksschnaps“ Absinthe (incl. Fake-News-Kampagne).
Grundlegend ist in der EU ein Thujongehalt bis 35mg/l zulässig, solange die Spirituose als „Bitter-Spirituose“ bezeichnet wird. In Untersuchungen wurde diese Grenze auch in historischen Proben und in nach originalen Rezepten produzierten Absinthen in der Regel unterschritten.
Zweifelsfrei hatte van Gogh seine Probleme, ob das jetzt zwingend am Kräutergehalt der konsumierten Spirituosen lag möchte ich aber auch bezweifeln.