Weißt du, was ich persönlich das größte Dilemma an Obstbränden und -geisten finde? Das sind wir.
Durch Whisky, Rum und andere Spirituosen sind wir zu verwöhnt, was die Fülle an verschiedenen Düften einer Spirituose angeht.
Hier Vanille, dort Apfel, hier Kardamom dort Kaffee.
Ein Obstbrand oder -geist kann hier folglich kaum mithalten. Denn dieser konzentriert sich – neben dem ein oder anderen Zweitaroma – vor allem auf eines:
Es soll die Essenz einer Frucht darstellen.
Nicht 80 verschiedene Aromen wie in einem Whisky – Eins.
Eine Frucht, die heraussticht und eventuell noch vom ein oder anderen Begleitaroma Gesellschaft bekommt.
Die Aufgabe ist nun, mit diesen beschränkten Möglichkeiten, ein derart gutes Destillat in die Flasche zu bringen, dass es uns begeistert.
Ich habe in den vergangenen Jahren viele Obstbrände und -geiste verkostet. Und glaube mir, wenn ich sage, dass viele davon gute Gründe waren, nicht von Single Malt, Single Cask Rum oder Straight Bourbon abzuweichen.
Hin und wieder sticht allerdings ein Obstbrenner hervor, der einen solchen Knaller ins Glas bringt, dass ich es immer wieder bereue, dieser Kategorie untreu geworden zu sein.
Stählemühle von Christoph Keller, die 2018 die Pforten schließt, war so eine.
Kleiner Distillery aus Tschechien, die 2018 den deutschen Markt betreten möchte, ist so eine.
Vor kurzem bekam ich die Möglichkeit 2 Destillate aus deren Portfolio zu verkosten. Eines davon, Kleiner Wild Pin, möchte ich dir heute vorstellen.
Ich möchte dir zeigen, warum dieser Pflaumen-Brand eine wahre Gaumenfreude ist und einen Platz in der gehobenen Gastronomie verdient.
Degustation des Kleiner Wild Pin
Hältst du deine Nase über das Glas, werden dir 2 Dinge auffallen:
- Weich: Es scheint als wäre kein Alkohol vorhanden
- Pflaumen-Duft: So intensiv, dass es einem Konzentrat gleich kommt
Schwenkst du das Glas unter deiner Nase, steigt dir das Pflaumen-Bouquet in verschiedenen Facetten entgegen. Mal als Pflaumen-Zwetschgen-Melange, mal mit dezenter Rauchnote, mal Zimt-Nuancen.
Jedes Mal als ich das Glas von einem zum anderen Nasenloch schwenkte, war ich überrascht, wie komplex ein Bouquet sein kann, das aus nur einer Frucht destilliert wurde.
Kein Fass, keine Zusätze, nur eine Frucht. Vor- und Nachlauf sind hier meiner Ansicht nach hervorragend abgetrennt. Auf den Punkt das „Konzentrat“ der Frucht.
Hältst du das Glas eine Weile unter deiner Nase, fällt dir zudem etwas anderes auf: kein Alkohol. Zumindest kein störender, denn das Bouquet ist ausgesprochen weich.
Der Alkohol hat – wie es sein sollte – nur eine Funktion: Er dient als Transportmittel für Aromen.
Nimmst du nun den ersten Schluck, legt sich der Wild Pin mit leichtem Körper und weicher Textur auf deine Zunge. Er wirkt leicht spritzig, was als hervorragende Ergänzung zum Pflaumen-Aroma dient.
Nur die Intensität des Bouquets fällt im Mund etwas zurück. Sie erreicht nicht die Kraft und Raffinesse wie in der Nase.
Allerdings, und das muss man festhalten, ist dies Jammern auf hohem Niveau. Selbst hier bekommst du Nuancen von Pflaumen und Zwetschgen, von Zimt und erdigen Noten.
Verlässt der Kleiner Wild Pin schließlich deinen Gaumen, bleibt das Pflaumen-Aroma in deutlicher, aber nicht übermäßiger Konzentration zurück.
Wie auch bereits in Nase und Mund kommt dieses hier äußerst natürlich daher. Es besitzt Nuancen von Zimt und Zwetschgen und macht auf etwas besonders Lust: Auf das nächste Glas Wild Pin.
Hinweis: Die Kleiner Distillery ist derzeit auf der Suche nach einem deutschen Importeur. Falls du einen Spirituosen-Import oder Online-Shop betreibst, kannst du dich gerne zur Kontaktaufnahme an Martina.Daskova@palirna.cz wenden.

Hui, über 90 € für einen Obstler!?! Eine mutige Preisansage! Damit dürfte sich auch bei der gebotenen hohen Qualität der Kundenzulauf in Grenzen halten.
Hallo Ingo,
nicht unbedingt. Auch deutsche Hersteller haben bei ihren High-End-Qualitäten solche Preise abgerufen. Stählemühle, Ziegler etc.
Gruß Philip
Ja Philip, da hast Du durchaus recht. Aber der ganz großen Verkaufsschlager ist keiner dieser Obstbrände. Klar, gehobene Gastronomie und der ein oder andere, der sich für daheim etwas gönnen möchte. Die günstigeren Standardabfüllungen dürften da sehr viel häufiger über die Ladentheke wandern.